Eine Gute-Nacht-Geschichte ?

  • Das kommt davon, wenn man auf der Arbeit zuviel Freizeit hat und zudem wieder der P2- Sucht anheimfällt. :D


    Während ich so vor mich hin plane, haben sich ein paar Nebengedanken eingeschlichen und die habe ich mal zu Papier gebracht. Sicher hat mich dabei auch die schöne Idee von Preussenhusar´s "Eine Hansegeschichte" inspiriert und ein oder zwei noch nicht abgestorbene graue Zellen haben sich wohl noch an alte P&P-Versuche erinnert - wie auch immer, das kam dabei raus:


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    Am Vorabend


    Nachdenklich stand die junge Händlerstochter am Fenster des kleinen Hauses und schaute sinnend auf die nächtliche Stadt Königsberg. Ihre Gedanken eilten durch Raum und Zeit zu ihrem Vater, der vor vielen Monden zu einer Reise in den Orient aufgebrochen war. Längst war der geplante Rückkehrzeitpunkt überschritten, die Familie war bislang ohne eine einzige Nachricht und das Familienoberhaupt galt als verschollen. Obwohl niemand die Hoffnung auf ein glückliche Heimkehr fahren lassen wollte, galt es nunmehr die Geschicke der Familie neu zu ordnen. Und so ward beschlossen, dass sie, das einzige Kind Raffaela Raffzahn, mit ihren 21 Lenzen die Geschäfte des Handelshauses führen sollte.


    „Ach Vater ...“ seufzte sie leise. Die Bürde der Verantwortung lastete schwer auf den ihren Schultern. Sie vermisste den Vater, besonders seinen Optimismus und seine guten Ratschläge, die er ihr zu den bevorstehenden Prüfungen und Aufgaben hätte geben können.


    Immerhin, der erste Schritt war getan. Morgen sollte ihr Name auf die Liste der Königsberger Händler gesetzt werden. Ein leises Lächeln glitt über das Gesicht, als sie daran zurückdachte, wie einige Ratsherren und Gildner ob ihres Ansinnens geschäumt hatten. Handel und Geschäfte seien Männersache, hatten sie getönt. Und ein „Weib“ habe da nichts zu suchen – kümmert Euch um Haus, Herd und Kinder riefen sie. Doch an ihrer Seite standen die alten Freunde des Vaters, langjährige Handelsgefährten und auch Meister Meinard Böttger von der einflussreichen Königsgilde, sprach zu ihren Gunsten. In schwierigen und harten Zeiten, er verwies auf die gerade überstandenen Hungersnöte im Ostseeraum, bedürfe es jeden guten Händlers, um die Versorgung aufrecht zu erhalten und die Hanse zum Erblühen zu bringen. Sie alle traten als Leumundszeugen vor den Rat und trotzten diesem so die Zustimmung ab. Und nun war es soweit:


    Am 27. September im Jahre des Herren 1400 würde das Kontor der Krämerin Raffaela Raffzahn in der Zeughausgasse zu Königsberg in das Handelsregister aufgenommen.


    Raffaela wandte den Blick vom Fenster und trat dann an den Tisch, wo zwischenzeitlich das Nachtmahl bereitgestellt worden war. Sie hatte gar nicht gemerkt wie hungrig sie war. Die Magd hatte es gut gemeint! Ein Krug warmes Bier, Haferbrei mit gepökeltem Fleisch und zerlassener Butter standen für sie bereit.


    Aber auch beim Essen kamen ihre Gedanken nicht zur Ruhe – so vieles war zu überlegen, zu entscheiden und zu tun. Das Vermögen der Familie steckte zu einem Großteil in Waren für die Handelsreise des Vaters und war vermutlich verloren. Auch die Monate ohne nennenswerte Einkünfte hatten am Goldstock gezehrt. Da hieß es sorgfältig zu wirtschaften – auf Anraten und mit Unterstützung Meister Böttgers war es gelungen eine Schnigge, die „Birgitta“, zu erwerben und somit die Grundlage für den Aufbau eines Handelshauses geschaffen.


    Genug der Grübelei, das Bier tat seine Wirkung, die Kerze war fast heruntergebrannt und so begab sich Raffaela zu Bett.


    „Morgen beginnt mein neues Leben...“ war der letzte Gedanke, bevor sie einschlief.....


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    Ach ja, fast vergessen - natürlich habe ich mich an der wunderschönen Einleitung von Charlotte orientiert und hemmungslos geklaut :engel2: Danke dafür ;)
    Falls es gefällt und gewünscht wird, versuche ich weiter zu machen und mein Spiel sporadisch und etwas unsachlich :giggle: zu kommentieren. Wenn nicht - gemäß Anleitung verfahren :hammer:.

  • Ein wunderschöner Septembertag, stetiger Wind aus Osten und eine ruhige See. Die Schnigge „Brigitta“ machte gute Fahrt und hielt Kurs direkt auf Danzig. Raffaela Raffzahn, die junge Krämerin, hatte es sich im Heck des Schiffes bequem gemacht und genoss leicht schläfrig die mittägliche Herbstsonne.


    Früh hatte ihr Tag begonnen und sie zum Gebet in die Brunsbergh-Kirche geführt. Wie immer betete sie für die gesunde Rückkehr ihres verschollenen Vaters und entzündete eine Kerze, doch heute erbat sie zusätzlich Gottes Segen und Beistand auch für ihre Vorhaben und die erste eigenständige Handelsreise.


    Angetan mit ihrem besten Kleid aus Luccaer Seide, tiefblau gefärbt und mit gestickten goldenfarbenen Ornamenten verziert, begab sich Raffaela anschließend in das Rathaus. Das Kleid hatte der Vater von einer Reise nach Venedig mitgebracht und es erschien ihr die einzig angemessene Kleidung für den Anlass zu sein. Vaters Stoff wirkte wie ein Panzer gegen den Hochmut und den nur schlecht verhohlenen Unwillen des Ratsherrn Anton Schmidt, als er ihr die Urkunde zur Aufnahme in den Kreis der Königsberger Händler und die notwendigen Handelspapiere überreichte. Im Ratskeller hatte sie etwas vorbereiten lassen und leerte zu feinen Kräuterpasteten ein oder zwei Glas Wein im Kreise ihrer Freunde und Fürsprecher. So dankte sie Ihnen für die gewährte Hilfe und Unterstützung und diese wiederum ließen die frischgekürte Krämerin hochleben.


    Wohl eine Stunde später führte der Weg Raffaelas, nun in einfache Arbeitskleidung gewandet, zur Königsberger Werft, denn Meister Böttger hatte ihr geraten ein weiteres Schiff zu erwerben, besser eines bauen zu lassen. Voller Stolz führte der Schiffsbaumeister sie über die Helgen und zeigte ihr die verschiedenen Modelle und Baupläne. Unter Berücksichtigung der eingeschränkten Mittel einigte man sich nach hartem Feilschen auf den Neubau einer Schnigge. Allerdings waren die notwendigen Waren nicht oder nur unverschämt teuer vor Ort zu erwerben. Und so verließ Raffaela die Werft mit einer langen Einkaufsliste und den Ratschlägen des Schiffbauers, wo man die benötigten Waren günstig erwerben könne.


    So standen die ersten Reiseziele der „Birgitta“ fest und Raffaela hoffte, auf der Reise durch geschicktes Handeln ihren Goldstock vielleicht etwas aufpolstern zu können. Als sie den Hafen erreichte war ihre Mannschaft bereits dabei, die am Markt erworbenen Waren, die sie in Danzig zu verkaufen gedachte, zu verstauen. Kurz darauf verließ das Schiff den Hafen und suchte seinen Weg durch das Haff in die Danziger Bucht.


    Und so begann die erste Reise der Krämerin Raffaela Raffzahn....

  • Von Ahus kommend erreichte die Schnigge „Birgitta“ das Kurische Haff und legte wenig später im Hafen von Memel an. Während Raffaela Raffzahn die Marktstände nach guten Angeboten absuchte und wo möglich Schiffswaren gewinnbringend verkaufte, nutzten die Matrosen die Zeit um eine Taverne aufzusuchen. Sie hatten sich durch ihre treuen Dienste auch redlich verdient.


    Dann kam Arne Bona, ihr Bootsführer, wild gestikulierend über den Marktplatz gelaufen. „Meisterin....! Meisterin..!“ Als er sie erreicht hatte berichtete er aufgeregt, dass ein arbeitssuchender Kapitän in der Taverne säße. Wie der Wirt sagte, sei er ziemlich erfahren für seine noch jungen Jahre. Das war eine gute Nachricht und Raffaela befahl Arne dem Manne ein Bier zu spendieren und ihn zum Schiff zu bitten, für ein Gespräch – aber sie selbst nicht zu erwähnen . Es wäre nicht sehr klug und schicklich gewesen, hätte die Krämerin sich in die Taverne begeben – das Mannsvolk blieb da lieber unter sich.


    Kurz nachdem die Kirche die vierte Nachmittagsstunde verkündet hatte, erschien der BootsführerBona in Begleitung des Kapitäns an der Liegestelle. Tancred Kruse, so der Name, staunte nicht schlecht, als er feststellen musste, dass eine Frau hier das Sagen. Man machte sich bekannt. Kruse überwand seine Überraschung und zeigte sich bereit in ihre Dienste zu treten. Sein Kapitänslogbuch wies ihn als erfahrenen Segler aus und die Dienstherren bescheinigtem ihm einiges Handelsgeschick. Auch im Seekampf hatte er während seiner Ausbildung und Steuermannszeit etwas Erfahrung gesammelt. Das waren gute Vorraussetzungen, um für ein junges, aufstrebendes Handelshaus zu arbeiten.


    Nachdem man sich ob des Salärs geeinigt hatte und auch die Formalitäten beim Hafenmeister abgewickelt waren, nahm die „Birgitta“ unter ihrem neuen Kapitän Kurs auf den Heimathafen Königsberg...

  • Obwohl der jungen Krämerin die Anstrengungen der vergangenen Tage noch in den Knochen steckte, war sie bereits vor dem Morgengrauen auf den Beinen.. Nach einem hastigen Frühstück stand sie nun an Vaters Schreibpult und zog die Bilanz ihrer ersten Handelsfahrt.


    Alles hatte bestens geklappt. Das Wetter war stabil geblieben und Arne Bona hatte seine Aufgaben als Bootsfühere bestens erfüllt, die Schnigge „Birgitta“ sicher gesegelt und in bestem Zustand wieder nach Königsberg zurück geführt. Sogar dem Angriff eines Piratenschiffes hatte er sich geschickt erzogen und der Passagier, der sie in Danzig um Mitnahme gebeten hatte, zeigte sich an seinem Ziel sehr großzügig mit der Bezahlung. Eine willkommene Auffüllung der Geldkatze. Nicht nur, dass Raffaela alle für den Schiffsbau benötigen Waren günstig erstehen konnte, auch die anderen Geschäfte waren vom Glück gesegnet. Und einen Kapitän hatte sie auch für ihre Dienste gewinnen können.


    Neben den 22tausend Goldstücken, hatte sie das Kontor mit Waren von fast 40tausend Goldwert gefüllt. Und die würden sich in der nächsten Zeit sicher mit Gewinn verkaufen lassen.


    „Ach Vater, ich wollte Du könntest das erleben,“ murmelte sie, „Du wärst sicher stolz!“


    Wenig später begab sich Raffaela zur Königsberger Werft. Es galt neue Verhandlungen zu führen, denn Tancred Kruse, der neue Kapitän, hatte sie auf der Rückreise von Memel davon überzeugt, statt der Schnigge einen Kraier bauen lassen. Dieser Schiffstyp sei vielseitiger, besser und schneller zu segeln. Wichtiger noch aber sei, dass man gut ein Drittel mehr Laderaum habe und damit bessere Gewinnchancen je Reise, was den Lohn für 3 zusätzliche Matrosen mehr allemal ausgleichen sollte.


    Der Schiffsbaumeister reagierte verärgert, als sie den Bauauftrag für die geplante Schnigge zurücknahm. Als er aber von dem neuen Vorhaben in Kenntnis gesetzt wurde, strahlte er über das ganze Gesicht. Für seine Werft war das eine echte Herausforderung und bei Erfolg würde er als Schiffbauer sehr an Ansehen gewinnen. Da die Krämerin das benötigte Material selbst anlieferte, wurde man sich schnell einig und der Schiffbauer versprach alles zu tun, um die Bauzeit erheblich zu verkürzen. Immerhin galten allgemein 3 bis 4 Monate als gängige Bauzeit für einen Kraier. Vom Ehrgeiz beseelt sicherte der Werftmeister zu, dass der Stapellauf noch im Jahre des Herrn 1400 erfolgen solle. Dies wurde mit einem Schluck edlen Weines besiegelt.


    Eilig wurden alle Baumaterialien zur Werft gebracht und schon am Nachmittag herrschte reger Betrieb auf dem Helling am Ufer und der Kiel des neuen Schiffes war bereits gut zuerkennen.....

  • Das Sägen und Hämmern klang noch in ihren Ohren nach, als Raffaela Raffzahn den Weg zurück in ihr kleines Kontor ging. Sie war hoch erfreut ob der Berichte des Schiffbauers und dem was sie auf dem Helling selbst gesehen hatte. Kiel und aufgezogene Spanten ließen erste Konturen ihres neuen Schiffes erkennen. Die Arbeiten machten so gute Fortschritte, dass der Werftmeister seine Zusicherung bekräftig hatte, das Schiff noch in diesem Jahr vom Stapel zu lassen – Anfang Dezember sollte es soweit sein und die junge Krämerin konnte es kaum noch erwarten.


    Vor dem Eingang des Kontors wurde die Krämerin bereits erwartet. Die Kogge „Tore von Stettin“ des Fernkaufmanns Albert Beischmidt war soeben im Königsberger Hafen eingelaufen und der Kapitän hatte einen Schiffsjungen mit wichtigen Papieren geschickt, der nun auf den Stufen des Handelshauses hockte. Sie dankte dem Jungen mit einem Lächeln, kramte einen Denarii als Belohnung aus ihrer Geldkatze und nahm die versiegelten Briefe an sich.


    Raffaela betrat das Handelshaus und begab sich sogleich in die Schreibstube. Sie konnte es kaum erwarten zu sehen, ob der ungewöhnliche Vorschlag den Tancred Kruse ihr unterbreitet hatte, als beide vor zwei Wochen von der Werft ins Kontor zurückgekehrt waren.


    „Reval ist ein guter Platz für Eure Geschäfte, Meisterin. Dort werden die wichtigen Eisenwaren hergestellt und verkauft. Außerdem ist die Stadt berühmt für ihre edlen Pelze. Und ich hörte von einem Weg dort als eine Art Makler recht schnell einen guten Sack Münzen zu verdienen“. So hatte er begonnen und ihr dann erklärt, dass er mit der Schnigge „Birgitta“ im Hafen vor Anker gehen und die günstigen Offerten der Handwerker und der Händler aus dem Hinterland aufkaufen wollte – seine Erfahrung im Handel würde gute Einkäufe garantieren.
    Die Vorräte auf dem Schiff würde er dann mit sehr gutem Gewinn an Reval anlaufende Händler verkaufen können. Diese wären oft bereit für kürzere Liegezeiten einen höheren Preis zu akzeptieren. Ob ihrer erkennbaren Skepsis erklärte der Kapitän, dass er dies in bierseliger Runde von einem alten, als äußert gerissen bekannten Handelsherren erfahren hätte, während er auf eine neue Heuer wartete. Dieser war recht erschrocken, als er merkte eine Geheimnis ausgeplaudert zu haben. Nachdem Kruse ihm jedoch Stillschweigen versichert hatte, weihte ihn der Handelsherr am nächsten Tag in alle Finessen dieses Handels ein.


    Allerdings sei dazu ein ziemlich gut gefüllter Geldstock von Noten, denn er müsse vor Ort schnell reagieren und auch größere Mengen einkaufen können. Voller Vertrauen in Ausführungen und Fähigkeiten des jungen Kapitäns bemühte Raffaela den Geldverleiher, um das verfügbare Bargeld aufzustocken. Die Schnigge mit den Waren aus dem Kontor gefüllt und ausgerüstet mit etlichen Kreditbriefen von Anselm Melzer, dem örtlichen Geldverleiher, segelte Kapitän Kruse gen Reval.


    Nun endlich die ersehnten Berichte. Am Schreibpult des Vaters erbrach Raffaela die Siegel und begann zu lesen. „Unglaublich“ entfuhr es ihr gleich darauf. Der junge Kapitän hatte Recht gehabt. Auf den stolzen Wert von fast 44tausend Goldstücke war das Guthaben angewachsen und selbst wenn alle Kredite sofort zurückgezahlt würden, bliebe ein stolzer Gewinn übrig.


    Sofort griff sie zur Feder um dem Kapitän ein paar Dankeszeilen zu schreiben und ihn zu aufzufordern, bis zum Stapellauf des neuen Schiffes in Reval zu verbleiben. Der Hafenmeister würde das gesiegelte Schreiben dem nächsten Schiff ins Baltikum mitgeben..


    In nicht ganz einem Monat hatte die junge Frau eine Menge erreicht und die Last auf den Schultern wog plötzlich nicht mehr ganz so schwer.....

  • Der 23. November im Jahre des Herrn 1400 war trübe und regnerisch. Ein kalter Nordost ließ die junge Krämerin Raffaela Raffzahn auf dem Weg durch die Stadt frösteln. Doch war die Kälte nicht der einzige Grund des Erschauerns – heute war ein ganz besonderer Tag für sie. Um die Mittagstunde sollte das neue Schiff vom Stapel gelassen werden.


    Eingemummelt in einen Wollmantel, der leider das hübsche braun-grüne Kleid darunter zum Teil verbarg, die kunstvoll geflochtenen Haare mit dem Familienschnuck gekrönt, erreichte sie die Werft, wo bereits halb Königsberg versammelt schien. Der erste Kraier aus der Königsberger Werft war natürlich das Tagesgespräch und wer konnte war zur Helling gekommen.


    Werftmeister und Arbeiter hatten sich ebenfalls für dieses Ereignis fein gemacht und warteten auf das Zeichen. Der Gildenmeister Meinard Böttger hielt eine Rede auf die junge Eignerin, wie stolz die Königsgilde auf das jüngste Mitglied sei und prophezeite eine große Zukunft für das Handelshaus Raffzahn und die Stadt Königsberg. Auch der Schiffbauer kam zu Wort und pries den neuen Schiffstyp und natürlich die Fähigkeiten seiner Werft, die das Schiff in kürzester Zeit gebaut habe. Schließlich erschien auch der Pfarrer und taufte das Schiff auf den Namen „Patria“. Er beschwor Gottes Segen für eine allzeit gute Fahrt und immerwährende gesunde Heimkehr nach Königsberg. Kaum war das Amen verklungen, gab der Werksmeister das Zeichen und die Arbeiter schlugen die letzten Sicherungskeile weg. Langsam glitt die „Patria“ von der Helling in die Dünung des Krurischen Haffs – in ihr Element. Laute „Hoch“ und „Hurra“ Rufe erschalten, während Raffaela verschämt eine Träne wegwischte.


    Dann setzten die Matrosen das Hauptsegel und sanft glitt der Kraier an der Küste entlang. Während sich die geladenen und ungeladenen Gäste am zur Feier des Tages ausgeschenkten Bier gütlich taten und die stolze Eignerin immer wieder hochleben liessen, erreichte der Segler den Hafen, wo er ausgerüstet und für die Reise vorbereitet werden würde.


    Was für ein Tag in Königsberg. Wer dabei war, würde ihn so schnell nicht vergessen.....

  • Am Abend nach dem Stapellauf sah man Raffaela sinnend vor dem Kaminfeuer sitzen. Das flackernde Feuer malte Schatten, die an den Wänden zu Feier des Tages zu tanzen schienen.


    Am nächsten Morgen, in aller Frühe, wollte sie mit der „Patria“ zu ihrer zweiten Handelsreise aufbrechen. Der aus Reval zurückbeorderte Arne Bona sollte wieder Bootsführer sein, während ihr Kapitän Kruse in Reval weiter das Vermögen des Handelshauses (und dabei auch sein eigenes) mehren sollte.


    Seit Raffaela der hiesigen Königsgilde beigetreten war, hatte sie viele Stunden dort verbracht. Die alten Aufzeichnungen gelesen und das Gespräch mit den erfahrenen Händlern und reisenden Gästen gesucht. Sie brauchte mehr Erfahrung um den Kurs Ihres Unternehmens richtig zu setzen. In langen Gesprächen, ganz besonders denen mit ihrem Mentor Meinard Böttger, dem treuen Freund ihres verschollenen Vaters, hatte sie die nächsten Schritte überlegt und geplant.


    Wegen des bevorstehenden Winters würde zwar manches auf den nächsten Frühling verschoben werden müssen – trotzdem blieb genug zu tun.


    Ein weiteres Schiff sollte gebaut werden, die Einkaufsliste war schon fertig geschrieben und bestimmte die ersten Reiseziele der neuen Fahrt.


    Natürlich brauchte auch das neue Schiff einen guten Kapitän – und diese waren nur schwer zu finden und von allen Händlern umworben.


    Es galt ertragreiche Handelsrouten zu finden und auch ein zweites Kontor schwebte ihr vor – nur welches war die geeignetste Stadt dafür?


    Meinard Böttger hatte ihr zudem zu verstehen gegeben, dass der Rat und auch die Gilde ihre Mitarbeit bei der Versorgung Königsbergs mit den benötigten Waren erwarten. Neben guten Gewinnen würde ihr dies Anerkennung und Ansehen in ihrer Heimatstadt einbringen würde. Sie wüsste doch um die Vorbehalte der alten Herren einer Frau gegenüber, so könne sie den ewig Gestrigen leicht den Wind aus den Segeln nehmen.


    Die letzten Marktbesuche hatten ihr gezeigt, dass es viele Lücken im Angebot gab und auch die Unzufriedenheit einzelner Bürger war ihr nicht verborgen geblieben. Schon der letzte Winter hatte in einigen Städten zu Hungersnot und Aufstand geführt – in Königsberg sollte es nicht soweit kommen. Deshalb hatte sie zugesagt, sobald das neue Schiff beauftragt sei , sich verstärkt darum zu bemühen.


    Ach ja, das Leben einer Krämerin war aufregend, aber auch hart....

  • Raffaela Raffzahn hatte sich nach den anstrengenden Wochen einen Ruhetag gegönnt. Am Morgen hatte sie zuerst das Badehaus aufgesucht. Ein paar Münzen verschafften ihr einen sauberen Zuber.Sie ließ sich von einer Magd abseifen und das Haar waschen. Anschließend aalte sie sich genussvoll in dem heißen Wasser. Welch ein Wohltat nach den vielen kalten und ungemütlichen Nächten auf dem Schiff.


    Den Rest des Tages verbrachte Raffaela mit ihrer Mutter, die sie liebevoll umsorgte, bekochte und mit Naschwerk verwöhnte. Und natürlich musste Raffaela die Sorgen der Mutter über die Gefahren der See- und Handelsreisen besänftigen. Ihr Bootsführer Arne Bona sei ein Kerl von einen Mann und solange er an ihrer Seite stand, würde sich kaum jemand getrauen sie unpässlich anzusprechen. Auch die anderen Matrosen stünden in Treue zu ihr, beruhigte sie die Mutter. Dann wollte die Mutter alles von den Reisen der Tochter wissen, welche Städte sie besucht hatte, wie es dort aussah und was es Besonderes gäbe. So verging die Zeit fast wie im Fluge.


    Am späten Abend gingen Mutter und Tochter noch in die Kirche. Sie lauschten der Predigt und entzündeten eine neue Kerze für den verschollenen Vater. Wehmut legte sich über den so fröhlichen Tag, als die beiden Frauen zu ihrem Heim schritten und sich alsbald eine gute Nacht wünschten.


    Raffaela blieb noch auf einen Becher Wein vor dem Kamin und hing beim Blick in die Glut ihren Gedanken nach.


    Der Winter hatte das Land fest im Griff. Schiffahrt und Handel gestalteten sich immer schwieriger. Überall traten Mängel in der Versorgung auf und aus einigen Städten wurde von schweren Hungersnöten berichtet. Nicht jedoch aus Königsberg. Hier hatten die frühzeitigen Appelle des Gildenmeisters Meinard Böttger Früchte getragen. Bislang war es den örtlichen Händlern gelungen die nötigen Waren zu beschaffen und so das Schlimmste zu verhindern. Und auch das Handelshaus Raffzahn hatte das Seine dazu beigetragen und damit an Ansehen in Königsberg gewonnen. Immer mehr Bewohner erkannten sie auf Ihren Wegen durch die Stadt. Viele grüßten sie freundlich und ehrerbietig, nur wenige tuschelten noch über das „Mann-Weib“. Auch in der Gilde begegnete man ihr mit zwischenzeitlich mit immer mehr Respekt.


    Ja, Raffaela hatte viel erreicht in den vergangenen Wochen. Besonders die Begegnung mit Tancred Kruse seinerzeit in Memel war eine glückliche Fügung und ein Segen. Der junge und tatkräftige Kapitän war durch seine Revaler Geschäfte mittlerweile zu einem Stützpfeiler ihres Unternehmens geworden. Regelmäßig trafen Boten in Königsberg ein und überbrachten die Kreditbriefe und seine Berichte, die gefüllt waren mit Tipps, Ideen und Ratschlägen. Kruse hatte sich in Reval zwischenzeitlich gut eingelebt und sogar geheiratet. Sie hob den Becher und gedachte seiner mit einem stillen Toast.


    Es gab viele glückliche Tage im ablaufenden Jahr. Und was wird uns das nächste bringen? Zunächst jedoch galt es den Winter überstehen......

  • Zitat

    Original von Sarastro
    [...]
    Ach ja, fast vergessen - natürlich habe ich mich an der wunderschönen Einleitung von Charlotte orientiert und hemmungslos geklaut :engel2: Danke dafür ;)
    Falls es gefällt und gewünscht wird, versuche ich weiter zu machen und mein Spiel sporadisch und etwas unsachlich :giggle: zu kommentieren. Wenn nicht - gemäß Anleitung verfahren :hammer:.


    Gerne doch, Sarastro - ich habe eben erst gesehen, dass die Gute-Nacht-Geschichte Fortsetzungen bekommen hat. Bin schon gespannt auf die nächste Folge! :)


    Charlotte

    "Wir sind verletzt, aber wir stehen wieder auf."


    Berlin - Breitscheidplatz, zum 19. Dezember 2016.


    P2 1.1/P4 2.0.4

  • Was ist aus der fleißigen Krämern geworden? Hat sie ihren Vater jemals wieder gesehn?


    Wurde sie doch irgendwann Opfer der schändenden Piratenbrut?


    Wie ist es ihrem Handelshaus ergangen? Konnte sie expandieren und ein - oder sogar mehrere - Kontore in der Hanse gründen und ihrer Familie Reichtum, Wohlstand und Ansehen verschaffen? Mit ihrem zarten Alter scheint sie doch eine überaus vielversprechende Zukunft gehabt zu haben.


    Und ihr Kapitän und Berater, Tancred Kruse, hat er ihr noch viele Jahre gedient, das Mittelmeer und die Weiten des Meeres erkundet und die Pest des Meeres auf den Meeresboden befördert? Oder hat er sich dann doch in Reval zur Ruhe gesetzt um bei seiner Frau und Kindern (?) zu bleiben?



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    Vielen Dank Sarastro für die tolle Geschichte! Es lässt sich sehr schön lesen und führt den Leser auf nette Art in die Welt der Hanse im 15. Jahrhundert.
    Der letzte Beitrag ist nun fast 6 Jahre alt... Ich wage kaum zu hoffen, dass die Geschichte irgendwann weitergeführt wird ;(